WHITEOUT2

22.05. - 20.06.2021

Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Kunstfreunde,

eigentlich wäre diese Werkschau des Künstlerverbandes NEUE GRUPPE e.V. München die dritte Ausstellung des Kunst- und Gewerbevereins Regensburg im aktuellen Ausstellungsjahr. Tatsächlich ist es die erste, die auch wirklich gehängt werden konnte. Auch wenn die Eröffnung wieder nur virtuell stattfinden kann, besteht derzeit die berechtigte Hoffnung, dass unsere Räume in absehbarer Zeit betreten werden dürfen und sich nach mehr als einem Jahr die Chance abzeichnet, die Werkschau „WHITEOUT2“ live zu besichtigen.

Mit diesem Optimismus möchte ich Sie herzlich willkommen heißen - wenn auch zunächst nur virtuell auf unserer Webseite.

Der Künstlerverband NEUE GRUPPE e.V. ist ein Zusammenschluss bildender Kunstschaffender aus allen Disziplinen. Er wurde 1946 in München gegründet und kann auf eine Vielzahl großer Namen verweisen. So gehörten zu den Gründungspersönlichkeiten Willi Baumeister, Max Beckmann, Karl Hofer und Karl Schmidt-Rottluff. Weitere Mitglieder, die in der neueren Kunstgeschichte hervorstechen, waren Erich Heckel, Ernst Wilhelm Nay, Max Pechstein und Emil Schumacher.

Man muss sich in den kulturellen Schockzustand der unmittelbaren Nachkriegszeit hinein versetzen, um die Zielsetzung zu verstehen, aus der heraus der Künstlerverband NEUE GRUPPE mit der brutalen Erfahrung nationalsozialistischer Gleichschaltung eine grundlegende Erneuerung der Kunst anstrebte. „Unaufrichtige Mache“, „bequemes Epigonentum“ und „sterilisierende Schulmethoden“ - zitiert aus dem einführenden Text „zum Geleit“, der in den Katalog einer im Münchener Lenbachhaus organisierten ersten Ausstellung der Gruppe im Juni/Juli 1947 einführte - sollten zugunsten aller „echten, unverfälschten Äußerungen künstlerischen Gestaltens“ überwunden werden. Bemerkenswert auch das damalige Bestreben, „jede provinzielle und lokale Enge“ zu vermeiden und die Betonung einer „spezifisch europäischen Prägung“ dieser Gründungsausstellung. Es ging in jener Umbruchzeit tatsächlich darum, Kunst neu zu denken. Vor dem Hintergrund gegenwärtiger Krisen erscheint ein solches Anliegen aktueller denn je.

Jahrzehntelang war die NEUE GRUPPE, die 1949 mit der „Münchener Secession“ und der „Neuen Münchener Künstlergenossenschaft“ zur „Ausstellungsleitung Große Kunstausstellung“ fusionierte, eng mit dem Haus der Kunst in München verbunden. Seit 2005 erweiterte sie ihre Ausstellungstätigkeit über das Haus der Kunst hinaus. Heute zeigt sich die Vielfalt der NEUEN GRUPPE auch an der internationalen Vernetzung ihrer annähernd 100 Mitglieder, die in allen Bundesländern leben und arbeiten.
Neben einer Vielzahl von Projekten im süddeutschen Raum organisiert die NEUE GRUPPE eine Reihe von Themenausstellungen, die in den Kunsträumen der Halle 50 / DomagkAteliers durch die Landeshauptstadt München gefördert wurden.

Wir freuen uns nun, in den Räumen des Kunst- und Gewerbevereins verschiedene Ansätze und Positionen von 34 Kunstschaffenden dieses Künstlerverbandes präsentieren zu dürfen und erneuern damit eine Beziehung, die bereits unter unserem früheren 1. Vorsitzenden Rupert Preißl in den 1980er Jahren aufgenommen wurde, was sich auch in der Ausstellungsbeteiligung früherer Regensburger Jahresschauen niederschlug.

Unter dem Thema „WHITEOUT 2“ präsentiert die NEUE GRUPPE eine Werkschau, die als „WHITEOUT“ 2018 in der Halle 50 in München gezeigt wurde. Es bezeichnet ein meteorologisches Phänomen, das bei schneebedecktem Boden und gedämpftem Sonnenlicht in der visuellen Wahrnehmung zu einer extremen Kontrastverringerung zwischen Himmel und Erde

führt, so dass das gesamte Blickfeld gleichmäßig hell erscheint. Konturen oder Schatten sind nicht mehr erkennbar und der Beobachter hat das Gefühl, sich in einem leeren, weißen, unendlich ausgedehnten Raum zu befinden.

Diesem visuellen Konzept folgen in unterschiedlichen Variationen die Werke der Künstlerinnen und Künstler des Künstlerverbandes NEUE GRUPPE die wir hiermit herzlich begrüßen. Es ist mir eine besondere Freude, diese Ausstellung in Wiederaufnahme einer bewährten Tradition eröffnen zu dürfen und verbinde damit die Zuversicht, dass auch künftig die künstlerischen Beziehungen zwischen Regensburg und München neu belebt werden.

Mein großer Dank gilt allen Mitgliedern des Kunst- und Ausstellungsausschusses, die seit einem Jahr unter widrigsten Bedingungen dafür sorgen, dass die kulturelle Präsenz unseres Vereines in zunehmend digitaler Form gewährleistet wird. Ebenso danke ich allen unseren Mitgliedern, die dem Verein in diesen schwierigen Zeiten die Treue halten.

Nun wünsche ich Ihnen, meine Damen und Herren, einen anregenden und intensiven Zugang zu den Werken des Künstlerverbandes NEUE GRUPPE e.V. und hoffe zuversichtlich, dass wir uns bald wieder vor den originalen Kunstwerken treffen dürfen.
Weiterführende Informationen finden Sie unter http://www.neuegruppe-hausderkunst.de/index.html

Dr. Georg Haber
1. Vorsitzender


WHITEOUT – ??? Whiteout macht neugierig. Bezeichnet es doch beim ersten Lesen einen nicht alltäglichen Begriff in unserem mitteleuropäischen Sprachgebrauch. In seiner deutschen Übersetzung würde man von „Weissblendung“ oder Überstrahlung“ sprechen, womit aber für eine eindeutige Definition noch nicht viel gewonnen ist. Und die Möglichkeit, bei unserer aktuellen Wetterlage die Bekanntschaft mit einem Whiteout zu machen, ist aller Voraussicht nach – selten! Handelt es sich doch beim sogenannten Whiteout in erster Linie um ein meteorologisches Phänomen, das vor allem in Polargebieten oder im extremen Hochgebirge anzutreffen ist.

Als Whiteout wird jene Helligkeit beschrieben, die bei schneebedecktem Boden und gedämpftem Sonnenlicht zu beobachten ist. Aufgrund einer diffusen Reflexion des Sonnenlichts und der damit einhergehenden minimalen Leuchtdichte kommt es zu einer starken Kontrastverringerung, das gesamte Blickfeld erscheint gleichmäßig hell, was wiederum ein Verschwinden des Horizontes zur Folge hat. Boden und Himmel verschmelzen nahtlos ineinander. In der Landschaft lösen sich Konturen oder Schatten auf, sind nicht mehr erkennbar. Man hat das Gefühl, sich in einem völlig leeren, unendlich ausgedehnten weiss-grauen Raum zu bewegen. Bei entsprechend veranlagten Personen kann das zu einer starken psychischen Belastung führen, die sich oft durch Beklemmung und Angstgefühle äußert. Physisch macht sich der Whiteout durch Desorientierung und Beeinträchtigung des Gleichgewichtssinns bemerkbar.

Im unbegrenzten Raum zwischen Stille, Unendlichkeit und Licht. So jedenfalls die wissenschaftliche Erklärung! Was aber bedeutet dieses Phänomen nun auf künstlerischer Ebene, wie und auf welche Weise kann dieser Naturerscheinung im kreativen Sinne nachgespürt werden? Ok, eine vielleicht etwas schlichte Frage, die natürlich so einfach auch nicht beantwortet werden kann. Aber um was geht es hier, was drängt sich auf beim Untersuchen wie Hinterfragen des weissen, unendlichen Raums? Was assoziieren wir mit der Farbe „Weiss“, mit dem Verschwinden von Konturen und Kontrasten? Verlieren wir dabei die Orientierung oder ist es gerade diese Auflösung ins Weiss, ins farbliche Nichts, was die künstlerische Auseinandersetzung provoziert, ja antreibt?

Weiss als Farbe, Wille und Vorstellung. Ob als hellste Nichtfarbe oder dominante Gegenspielerin zum restlichen Farbenspektrum. Sie ist die Verkörperung reiner Energie, in ihr summieren sich alle Farben. Da tauchen vor unserem geistigen Auge nun Begrifflichkeiten wie Unschuld, Reinheit, Prägnanz oder Stille auf. Aber auch Isolation, Leere, Einsamkeit. In den westlichen Kulturkreisen als Symbol für Unendlichkeit und Unsterblichkeit gehandelt, gilt Weiss auch gleichzeitig als eine königliche Farbe. Die Buddhisten tragen sie als Zeichen der Trauer und in China ist sie ein Synonym für Alter oder Hinterlist. Wir sind also ständig umgeben von Weiss in allen Facetten und Ausformungen – erst durch genaueres Hinsehen erkennt man, welch ein gestalterisches Potenzial sich hier auffächert, eine schier endlose Inspirationsquelle.

„Im fahlen Licht des Nordens reflektiert ein Schneemann in einer Tiefschneelandschaft ohne Kontraste. Umgeben von Nebelbänken und Graureihern, träumt er von weissen Segeln und endlosen Sandstränden als Sehnsuchtsort und summt die Melodien des weissen Albums der Beatles“, ist nur so ein Gedanke oder vielleicht eher ein weisses Märchen? Obwohl, das „Weisse Album“ der Beatles von 1968 gilt heute als Meilenstein der neueren Musikgeschichte. Nun gut – alles auf Anfang – so vielfältig eine Annäherung an dieses Thema, so vielfältig gestalten sich die Interpretationen. „Weiss“ als Farbe und Aussage umfassend zu begreifen erscheint manchmal als ein fast unmögliches Unterfangen, aber doch nicht gleich kapitulieren und die weisse Flagge schwenken. Nein, im Gegenteil – mehr als 20 KünstlerInnen der Neuen Gruppe haben sich dieser Thematik gestellt und präsentieren in den unterschiedlichsten Techniken ihre eigene, individuelle Sichtweise und künstlerische Position. Hierdurch ergeben sich neue Zusammenhänge wie Berührungspunkte. Orientierungs- wie Deutungsmöglichkeiten werden aufgezeigt und spannen einen roten (oder weissen) Faden zwischen den einzelnen Ausstellungstücken.

Und noch ein Tip: Sollten Sie einmal in die Situation eines Whiteouts (siehe oben) kommen, ist äußerste Vorsicht geboten. Es wird empfohlen, sich nur in Gruppen aufzuhalten, sich anzuseilen und sich langsam entlang der Ausstellungs-Exponate zu hangeln. Safety first!

Ausgestellte Künstler: Joss Bachhofer, Ursula Bolck-Jopp, Maks Dannecker, Waltraud Danzig, Peter Dietz, Peter Dorn (Gast), Reinhard Fritz, Dieter Gassebner, Ekkeland Götze, Zita Habarta, Hans-Uwe Hähn, Erica Heisinger, Karl Imhof, Trisha Kanellopoulus, Dieter Kränzlein, Ernst Krebs, Robert Lang, Doris Leuschner, Albert Lohr, Nikolaus Mohr, Alexander Nüsslein, Sigrid Pahlitzsch, Julia Reich, Andreas Rumland, Stefen Scherer, Christian Schied, Astrid Schröder, Brigitte Schwacke, Hilde Seyboth, Diether Sommer, Brigitte Spielmann-Sommer, Maria Wallenstål-Schoenberg, Bernd Weber, Stefan Wehmeier.

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